Happy Birthday, Johann Wolfgang von!

Am 28. August 1749 wurde Goethe geboren. Grund genug, sein Haus am Frauenplan in Weimar neu zu entdecken. Nicht als Pilgerort für Poesiefreunde, sondern als Forschungszentrum, dessen Ansätze nach wie vor aktuell sind.

Seit bald achtzig Jahren jagen Astronomen der Dunklen Materie hinterher, seit der schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky 1933 den Begriff prägte. Der begeisterte Bergsteiger entdeckte 123 Supernovae und schoss für die Amerikaner 1957 das erste Objekt ins All. Das Werden und Vergehen von Sternen beschrieb er als lebendigen Prozess, wie ihn einst Goethe in der Morphologie der Pflanzen vorgeführt hatte. Lange Zeit stießen seine Ideen auf Ablehnung. Erst heute kommt man dem Rätsel der Dunklem Materie näher.

Aber wie kam Zwicky denn überhaupt auf den schrägen Einfall, das Universum bestehe zum großen Teil aus unsichtbarer Materie? Eine der Spuren führt eindeutig zum Goethehaus am Frauenplan. Weniger ins Junozimmer als in den Garten (außerdem darf man draußen knipsen, drinnen nicht).

Goethes Haus ist angelegt als Forschungsmuseum, Privatakademie, Institute for Advanced Study. Auf dem Flügel im Junozimmer spielt der jugendliche Felix Mendelssohn. Der Salon als Weltausstellung im Kleinen. Antike und Tagespolitik, Exotik und Provinz sind hier auf kleinstem Raum versammelt. Er ist ein leidenschaftlicher Leser des Koran, fordert statt einer Nationalliteratur eine Weltliteratur und postuliert im “West-Östlichen Diwan”: “Wer sich selbst und andere kennt / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen”.

Da es noch keine Fernleihe gibt zu seiner Zeit, kein Internet, müssen Salons wie die seinen herhalten als Kommunikationszentrale. Man liest sich Gedichte und diskutiert über den Zwischenkieferknochen, man spielt Theater und streitet sich über die Natur des Lichts. Ein gutes Argument, ein treffendes Bild, von irgendjemand in die Runde geworfen, taucht später oft in Goethes Gedichten oder Aufsätzen auf. Von wem etwas ist, wen kümmert’s, Plagiarismus, who cares. Ein Gräuel für heutige Urheberrechtsschützer und Patentanwälte. Manchmal weiß er selbst nicht mehr, ob ein Gedicht von ihm stammt oder nicht. Goethes Salon ist eine Sensation: Entertainment und Experiment, Forschung und Show. 

Der Streit ums Licht: wieder so ein Schauboxen ums Grundsätzliche. Als Widersacher sucht er sich erneut einen britischen Wissenschaftsstar aus: Isaac Newton. Der hatte hundert Jahre zuvor einen weißen Lichtstrahl mit Hilfe von Prismen zerlegt in einzelne Primärfarben. Goethe dagegen beschreibt in seiner “Farbenlehre” das Licht als sinnliche Erfahrung mit Wirkung auf die Seele. Dafür wird er heute oft belächelt. Dabei liegt er eigentlich nicht falsch, sondern nur anders. Newton beschreibt die Physik, Goethe die Physiologie. Aber er überreizt sein Blatt im theatralischen Duell mit einem Toten. Der Tote gewinnt, Goethe gilt heute in diesem Punkt als widerlegt.

Nachts stehen sie zwischen Spargel, Löwenzahn, Topinambur, Rapontica, Pastinake und beobachten den Mond: “Es erregt die merkwürdigsten Gefühle, wenn man einen so weit entfernten Gegenstandt so nahe gerückt sieht, wenn es uns möglich wird, den Zustand eines 50.000 Meilen von uns entfernten Körpers mit so viel Klarheit einzusehen.” Im April lädt er Schiller erneut zu einer astronomischen Partie ein. Er hat einen Frauenplan: “Es war eine Zeit, wo man den Mond nur empfinden wollte, jetzt will man ihn sehen. Ich wünsche, dass es recht viele Neugierige geben möge, damit wir die schönen Damen nach und nach in unser Observatorium locken.”

Ein kleines, barockes Gartenhaus: die mineralogische Sammlung. Das Herzstück des Museums – und daher verriegelt. Die über 160.000 jährlich eintreffenden Besucher würden die Sammlung nur durcheinanderbringen. Die Mineralogie war damals schwer in Mode, seit Goethe mit seiner Liebe zum “öden Steinreich” halb Weimar ansteckte.

Wie Paläontologen, die versteinerte Knochen studierten, um das Leben urzeitlicher Tiere zu rekonstruieren, kartieren Astronomen heute die fossile Hintergrundstrahlung, den Nachhall des Urknalls. Mit fliegenden Weltraum-Teleskopen vermessen Astrophysiker heute das Werden und Vergehen von Galaxien, die Geburt von schwarzen Löchern und den Sternentod. All das erscheint wie eine Fortsetzung von Goethes Vision einer atmenden, sich wandelnden Mitwelt. Selbst Albert Einstein hat mit derlei Dynamik anfangs Probleme. Er ist zunächst ein überzeugter Anhänger eines statischen Universums – und somit ein entschiedener Gegner eines aus einem Uratom gewachsenen Kosmos, wie ihn die Urknalltheorie annimmt. Erst 1930 lässt sich Einstein umstimmen und beschreibt die Hypothese eines Urknalls als schönste und beste Erklärung der Entstehungsgeschichte des Alls.

Spurenelemente seines Denkens finden sich jede Woche in der Zeitung: Sterngeburten und Sternentod, Epigenetik und Klimawandel. Die Wissenschaftszeitschrift “Nature” verdankt ihren Namen einem Gedicht, das damals Goethe zugeschrieben wurde (vielleicht war es nur von ihm inspriert). Darin heißt es über die Natur:

Ihr Schauspiel ist immer neu, weil sie immer neue Zuschauer schafft. Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod ist ihr Kunstgriff, viel Leben zu haben.

Twitter: @hilmarschmundt

(Eine längere Version des Artikels lässt sich nachlesen bei Telepolis).

#cpeurope: Paulo Coelho extends his brand into open source space

Some highlights from his speech and Q&A at Campus Europe 2012 in Berlin from my twitter feed (@hilmarschmundt):

#cpeurope Paulo Coelho: „You can’t sign e-books. But somebody is developing a system that I can sign a book here for somebody in Canada.“

Check out an article about signing e-books here:

http://www.nytimes.com/2011/04/14/fashion/14NOTICED.html?_r=1

#cpeurope Paulo Coelho: „There are only 4 books: A lovestory between 2 people; a lovestory between 3 people; a struggle for power; a trip.“

#cpeurope Paulo Coelho: „I paid for my first book to get published.(….) in Brazil there is no tradition of making money with writing.“

#cpeurope Paulo Coelho: „I worked in the record industry. I saw this gigantic industry collapse. They started to fight against sharing.“

#cpeurope Coelho about the future of printed books: „Today I read mostly on Kindle. I have problems with Nook.“

#cpeurope. Paulo Coelho talking about his website „Pirate Coelho“. Check it out here:

http://paulocoelhoblog.com/2008/02/03/pirate-coelho/

#cpeurope Paulo Coelho updates his brand into the realm of open source: „The more you share, the more you receive“

#cpeurope: Coelho: „Copyright ist not an idea that is about paying the authors, but the publisher“

#Campusparty

#Campusparty is a startup conference at former Tempelhof airport of Berlin airlift fame, sponsored by EU, Telefonica and O2, among others. 10 000 Campuseros have signed up, some for gaming, some for coding. Paulo Coelho will speak at noon. Coelho!

„Coders of the world, unite“, a graffiti on one of the faux-improvised containers reads, sponsored by Telefonica, a Spanish Telco. Interesting. So far, hackerdom (Skype! AIM! Kazaa! Jailbreaking!) was at odds with the business model of telcos who like to charge 10 Euros per 1 Megabyte for dataroaming, as just happened to me in Zürich. 10 Euros! Coelho!

It will be interesting to see what happens, when telcos discover innovation as a business model.

The revolution will be streamed, roaming charges apply.

Alpencross 2013: Neuer Radweg als Finale bis zum Gardasee (Villa Banale nach Sarche)

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Die letzten Stunden unserer Alpencross-Tour von Garmisch zum Gardasee. Durch Zufall stoßen wir auf diesen neuen Radweg, der der Sarca-Schlucht folgt, parallel zu der Bundesstraße SS 237 mit ihren Tunneln.

Die neue Fahrradstrecke von der Schluchtbrücke bei Villa Banale nach Sarche führt entlang der alten Straße, die außen am Hang langgeht, genau parallel zur SS 237, aber ohne Tunnel. Der Blick in die Schlucht und auf die Felswände gegenüber ist genial. Der neue Radweg verbindet die Fahrradautobahn von Arco bis fast hinauf nach Villa Banale. Eine sensationelle Abfahrt. Die Erüffnung dürfte irgendwann in der Saison 2013 sein. Das beste denkbare Finale für eine Alpencross-Tour.

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Mekkas der Moderne – Pilgerstätten der Wissensgesellschaft (Herausgegeben mit Milos Vec und Hilgegard Westphal, Böhlau 2010)

Der Katholizismus hat den Vatikan, das Judentum hat die Klagemauer, der Islam hat Mekka. Doch es gibt auch Orte, an denen sich Aufklärung und Moderne ihrer Ursprünge versichern. Sie sind die säkularen Pilgerstätten der Wissensgesellschaft: das Teilchenforschungszentrum CERN in Genf oder das British Museum in London, das jährlich fast fünf Millionen Besucher aus aller Welt anzieht weit mehr als der Vatikan oder selbst Mekka. Wissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten laden zu einer einzigartigen Weltreise ein, einer Grand Tour des 21. Jahrhunderts: von Freuds Behandlungszimmer in Wien bis zu den Galápagos-Inseln, von Nietzsches Grab bis zum Weltraumbahnhof in Cape Canaveral, von der Heimat des Blues in Afrika bis zum Pantheon der Gehirne in Moskau.

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Hilfe vom Himmel: Die Berge haben scheinbar ihren Schrecken verloren: Mit Handys können Verunglückte stets einen Rettungshubschrauber rufen. Folge: Die Touristen werden sorgloser, die Einsätze riskanter.

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Der vertikale Western: Seit der Bergfilm in den dreißiger Jahren von den Nazis vereinnahmt wurde, gilt er als politisch verdächtig. Nun entdeckt eine junge Generation von Regisseuren das Genre neu und misst sich mit Produktionen wie “Nordwand” an Klassikern von Leni Riefenstahl und Luis Trenker. (Mit Lars-Olav Beier.) Einer der heimlichen Hauptdarsteller damals wie heute ist die Bergwelt selbst in ihrer Erhabenheit, die im Betrachter Angstlust und wohligen Schrecken auslöst. Doch das Sublime der vertikalen Wildnis wirkt heutzutage völlig anders als in den Zwanzigern und Dreißigern, als Gletscher und Gipfel für die meisten Städter wie eine bedrohliche neue Welt erschienen. Heute dagegen sind die Alpen eine Kultur- landschaft, überzogen von einem dichten Netz aus Skiliften, Klettersteigen, Hütten und Handy-Masten. Und so mag die Darstellung der alpinen Naturgewalten heute eher tröstlich und entlastend wirken: Endlich einmal löst der Anblick eines Gletschers nicht gleich den üblichen Klimaschutzreflex aus, sondern andächtiges Erschauern. Vielleicht reagieren die neuen Bergfilme auf die Sehnsucht nach einer Natur, die zu stark ist, um von den Menschen zerstört zu werden.

Star aus Stein: Großes Kino, schwülstige Oper, cooler Clip: Die Bergsteiger-Tragödie “Nordwand” sollte das Meisterstück des Allround-Regisseurs Philipp Stölzl werden. Dafür stieg er sogar selbst auf den Eiger – und nahm SPIEGEL-Redakteur Hilmar Schmundt mit auf den Gipfel. (Hier eine Fotogalerie)

Spurensuche in der Todeszone: Unter Extrembedingungen in über 5000 Meter Höhe versuchen Forscher ein einzigartiges Klimaarchiv zu bergen: Schon bald könnten die Gebirgsgletscher des Kilimandscharo geschmolzen sein. Je mehr die Wissenschaftler herausfinden, desto rätselhafter erscheint ihnen das Tropenklima. 

Unterwelt am Himmel: Seit über fünfzig Jahren erkundet der Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke die Höhlen der Alpen. Nun will er nach Leben auf dem Mars suchen – und klettert dazu in die unterirdischen Lavalabyrinthe auf der Vulkaninsel Hawaii.

Flakbunker Mariahilf (Wien) (Diashow)

Puzzle aus dem Eis: Die Alpengletscher schrumpfen, das ist bekannt. Doch nun stellt sich heraus, dass sie in der Römerzeit kleiner waren als heute; vor 7000 Jahren waren sie möglicherweise sogar fast verschwunden. Auf den Spuren der “grünen Alpen” bergen Klimatologen Überreste alter Wälder im Schweizer Eis.

 

Der Papst der Eisenwege: Klettersteige sind populär wie nie. Das vertikale Wandern, gesichert an Drahtseilen, verspricht risikolose Abenteuer vor phantastischer Bergkulisse. Der Autor Eugen Hüsler gilt als vielleicht wichtigste Autorität in Sachen Himmelsleitern – und sieht den Boom mit zwiespältigen Gefühlen.

Der verkabelte Feuerberg: Hightech statt Heldentum: Forscher haben den Kilauea auf Hawaii mit einem Netz automatischer Messstationen überzogen und beobachten so aus sicherer Entfernung alle Regungen des Vulkans.

Cervelli setzt auf Hightech statt Heldentum – anders als die Vulkanologen früherer Zeiten, die sich als todesmutige Feuerbergsteiger hervortaten. Einen der berühmtesten von ihnen kennt er persönlich: Cervelli studierte anfangs in Tempe, Arizona, wo auch der Vulkanforscher Stanley Williams lehrt. Dessen Buch “Der Feuerberg – Wie ich den Ausbruch des Vulkans Galeras überlebte” wurde 2001 ein Bestseller. Darin schildert der Professor, wie seine Forschungsgruppe in eine Eruption am kolumbianischen Galeras geriet; sechs Wissenschaftler kamen um.

Auch Williams selbst wäre fast ein Opfer des Vulkans geworden. Glühende Schlackebomben zertrümmerten ihm Beine und Schädelknochen. Nur durch die Hilfsaktion zweier Kolleginnen wurde er gerettet. Danach musste er über 20-mal operiert werden. Rund 300 Forscher beschäftigen sich weltweit ernsthaft mit Vulkanismus, schätzt Williams. Jedes Jahr fällt im Schnitt einer von ihnen seinem Forschungsgegenstand zum Opfer. Doch dieser Blutzoll sei nicht umsonst, findet der Altmeister: “Die besten Arbeiten kommen von jenen, die in aktive Krater klettern.”

Diese draufgängerische Selbstinszenierung ist Cervelli zuwider. “Es war unnötig, damals am Kraterrand des Galeras’ rumzurennen”, widerspricht er Williams. “Eine tolle Abenteuergeschichte – aber wissenschaftlich war die Ausbeute minimal.” Cervelli bedauert nur eines: dass er die waghalsige Feldarbeit noch nicht gänzlich abschaffen kann. Per Hubschrauber, mit Geländewagen oder zu Fuß müssen die Forscher regelmäßig ihren Gerätepark warten. Schon nach wenigen Wochen sehen die Metallbeschläge einiger Messstationen rostig aus wie Schatzkisten in einem Piratenfilm, zerfressen vom schwefelsauren “Vog”, dem Vulkansmog.

 Als er aus dem Fenster seines Büros schaut, reckt sich eine gelbbraune Rauchwolke über dem “Pu-u-Ô-ô”-Krater kilometerweit in den Morgenhimmel. “Das müssen wir uns ansehen”, ruft er Marie Edmonds zu, einer zierlichen Französin im Freizeitlook mit Sandalen, Sonnenhütchen und Sonnenbrille. Die beiden sprinten über den Parkplatz, springen in einen der zwei Dutzend schweren Geländewagen und rasen in Richtung Wolkenschatten.Im Kofferraum liegt Edmonds’ rund 80 000 Dollar teure Ausrüstung in einem Rollköfferchen verpackt: ein Infrarot-Spektroskop. Wird dieses Messgerät auf die Vulkan-Abgase gerichtet, so errechnet eine dazugehörige Software exakt deren chemische Zusammensetzung. “Jeden Tag spuckt der Vulkan rund 2000 Tonnen Schwefeldioxid aus”, schätzt Edmonds, “damit dürfte er einer der größten Luftverschmutzer der USA sein.” Eine Weile lang irren die beiden Forscher mit dem Geländewagen hin und her, auf der Suche nach dem perfekten Messpunkt. Nun müssen auch die Datensammler notgedrungen wieder auf die altbewährten Methoden zurückgreifen. “Ich bekomme einen leichten Reizhusten vom Schwefeldioxid”, bemerkt Cervelli zufrieden und fährt an den Straßenrand. “Es kann nicht mehr weit sein.”“Ja, hier sind wir richtig”, sagt Edmonds. Sie baut Notebook und Spektroskop auf und schnalzt mit der Zunge wie ein Geologiegourmet: “Ich habe diesen belegten Geschmack auf der Zunge. Das kommt vom Phosphor. Die Messung kann beginnen.”